Kurz. Gedichte. schreiben.

Wenn wir Genuss hören können.

Foto © tawatchai1990 – stock.adobe.com
Es ist Frühling in Japan. Überall sind Kirschblüten. Wenn wir durch sie hindurch blicken, sehen wir Kagome. Ihr Gesicht ist weiß und ihre Lippen rot – ein Kontrast zu ihrem Kimono mit blauen Ornamenten. In der Hand hält sie einen traditionellen Fächer, mit dem sie sich elegant Luft zu wedelt. Sie sieht bedrückt und glücklich zugleich aus. Wandert durch den Garten ihres Vaters und überquert in langsamen Schritteneine Steinbrücke. Unter ihr fließt ein kleiner Bach – und damit auch ihre Gedanken um Hitaro – ob es ihm nun gut geht, da wo er ist? Sie vermisst ihn und fühlt gleichzeitig seine Anwesenheit. Ein Moment, voller Schönheit und Nostalgie zugleich. Kagome kehrt zurück nach Hause. Sie möchte den Moment mit Tinte auf Papier festhalten. Die Feder gleitet über das Papier. Nach fünf Schriftzeichen lächelt sie zufrieden.

Haiku: Die Kunst, einen Moment in wenigen Worten auszudrücken
Wer schon einmal probiert hat, eine komplizierte Geschichte kurz zu fassen, der weiß wie schwer so etwas sein kann. Zum einen muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren und das wichtigste zusammenfassen. Zum anderen darf der Text nicht zu rational sein, da sonst die Emotion darin fehlt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jedes Wort genau gewählt sein muss, um einen Moment von allen Seiten richtig zu beleuchten.

Drei Zeilen reichen, um Genuss zu hören
Mehr benötigen Haikus nicht. Die traditionellen, japanischen Kurzgedichte können mit wenigen Worten eine ganze Geschichte erzählen. Inhaltlich sind sie wie eine Lupe, die man ganz nah auf eine bestimmten Moment richtet. Es ist also nicht klar, wie die Geschichte begonnen hat oder wie sie endet – das liegt in der Fantasie des Betrachters. Die Herausforderung eines Schreiberlings ist, einen Moment so konkret und beobachtbar wie möglich in drei Zeilen zu erzählen.

Was ist aber der Unterschied zu deutschen Gedichten?
Traditionell reimt sich das Haiku nicht, sondern wird in 5-7-5 japanische Moren (Lauteinheit) unterteilt. Die Texte sind daher von Lautmalerei geprägt und hören sich sehr melodisch an. Während unsere Sprache mit einzelnen Silben sehr hart und abgehackt klingt, vereint das Japanische insgesamt 17 Moren zu einer weichen und feinen Sprache. Als Beispiel: London ist bei uns ein Wort. Im Japanischen besteht das Wort aber aus drei Moren: Lo-n-do-n. Es wird also viel zusammenhängender gesprochen, was dem Haiku einen lautmalerischen Klang gibt. Ein wahrer Genuss für die Ohren.

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Fotos im Artikel © tawatchai1990 – stock.adobe.com

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